22 fév. 2023Erweiterung durch Widerstand - Bei Arny Schmit im Atelier
Widerstehen konnte Arny Schmit seinem Drang, sich durch Malerei auszudrücken noch nie – richtig voran kam sein Wirken als Maler spätestens zu dem Zeitpunkt, als er sich hauptberuflich der Kunst widmete. In den späten 90er Jahren begann Arny Schmit, seine Werke auszustellen – dass er in naher Zukunft auch in Berliner Galerien ausstellen würde, konnte er sich damals bestimmt kaum vorstellen.
Heute muss der Künstler nur einige Stufen hinuntergehen, um in sein eigenes Schaffensreich zu gelangen: „Ich bin jeden Tag im Atelier, auch wenn ich vielleicht nicht immer male. Abends setze ich mich gerne hier in den Sessel und denke über meine Werke und ihre Prozesse nach. Manchmal fertige ich noch einen Bilderrahmen – ich habe auf jeden Fall hier täglich etwas zu tun!“
Das Prozessuale ist ein intrinsisches Moment von Arny Schmits Kunst: Wenn man seine Bilder, Gebilde betrachtet, sich mit ihnen beschäftigt, ist man zunächst etwas intrigiert. Es ist weniger ein Ankommen als ein Sich-Hineinbegeben. In was? In den Prozess. Der Blick wird meist zunächst von der Naturdynamik angezogen, doch dann wandert er weiter. Er entdeckt Buchstaben, vielleicht Text, Brüche und Kratzer, fällt über blutende Farbschlieren, verliert sich im grellen Neonlicht – und hält sich an Holzbalken und Dekortapeten fest. Es passiert viel im Werk, man tritt einen Schritt zurück, um sich dann doch noch einmal hineinzudehnen.
„Früher habe ich meist noch Personen eingearbeitet“, berichtet Arny Schmit, „doch die haben den Blick zu sehr auf sich gezogen und vom Rest abgelenkt. Wenn ich menschliche Konturen zeichne, kann ich mich nicht gehen lassen, die Formfigur muss stimmen, sonst sieht es komisch aus.“ Die Hauptrolle in Arny Schmits Werken spielt die Natur, meist Bäume mit imposanten Wurzeln und Ästen, umgeben vom wilden Landschaftsnarrativ. Ergänzt wird das tosende Organische durch Collage-Elemente, mal ist es eine Schrift, mal sind es dreidimensionale Objekte oder geometrische Formen. Die Entscheidung, sowohl Natürliches wie auch Formales im Werk auftreten zu lassen, findet ihren Grund wieder im Prozess: „Die Symbolik des Lebens ist nicht nur durch das Thema Landschaft aufgegriffen, die von sich aus auch mal aggressiv und mit Brüchen auftritt. Grundlegender stellt sich mir aber die Frage, wie ich meine Malerei darin weiterbringen kann.“ Indem Arny Schmit sich bewusst der Mehrdimensionalität im Werk widmet, illustriert er die Vielschichtigkeit und Weite des Lebens. Licht, Fläche, Kratzer, Balken und Kanten, die Tiefe der Natur – was steckt dahinter? In Arny Schmits Worten: „Malerei besteht aus Kontrasten. Ohne Widerstand funktioniert das Organische hier nicht. Wenn ich geometrische Figuren in die Landschaft einfüge, dann ist das zwar zunächst fiktiv, aber es drängt sich dadurch auch ein richtiger Reibungspunkt auf. Ich suche etwas, um das Sehen zu verstärken. Hell sieht man nur durch das Dunkel!“
Und so macht sich Arny Schmit auf die Suche: Wie kann das Lebendige noch deutlicher zum Wirken kommen, wie können die fließenden Pinselstriche, die sich bildende und gleichsam vergehende Natur, verstärkt in den Vordergrund treten? Der Maler wird zum Handwerker und baut Balken und Lichtinstallationen. Nicht nur brechen diese geraden Formen mit der Erscheinung der wuchernden Natur, sie übertreten auch das Zweidimensionale der Bildfläche. Das Rechteck wird durch Holzkonstruktionen ergänzt, die nicht nur die Größe des Werkes beeinflussen, sondern vor allen Dingen seine Plastizität: Es werden andere visuelle Ebenen angesprochen, etwas tritt näher, es wagt sich heraus – und wartet dennoch geduldig ab, um im Ganzen gesehen zu werden. Ganz ähnlich scheinen die Neonröhren zu funktionieren: Die dunkle Malerei erfährt durch das Grelle einen teilweise recht plötzlichen Kontrast, der selbstbewusst in die Tiefe der dunklen Farbe einlädt. Die Helligkeit zeigt auch den Weg in die Dunkelheit – eine prägnante Metapher für das Leben. Weitere Widerstände, die Arny Schmit einbaut, sind weniger subtil: Es sind sich behauptende Kratzer und Brüche auf der Oberfläche der Bilder, mit denen sich die hinausströmende Natur, die Bäche und Äste, auf den ersten Blick nicht anzufreunden wagen. Doch wenn diese Resistenz weicht und sich die Elemente miteinander verbinden, dann tut sich dem Auge eine neue Geschichte auf. Sie erzählt von einer Welt, in der das Auf und das Ab sich zyklisch ablöst, in der das Eine nicht ohne das Andere sein kann. Dies zu erfahren bedeutet, den Widerstand als Einladung zur Erweiterung zu leben. Es lädt dazu ein, auf- und anzunehmen und dem Fluss des Lebens zu vertrauen.
Dem Künstler geht es ähnlich, wenn er sich auf die Suche nach der Erweiterurng seiner Selbst und seines artistischen Ausdrucks macht: Arny Schmit weiß, wenn er malt, meist gar nicht so wirklich, was gerade passiert. „Ich verliere mich im Prozess und finde mich immer wieder. Die schönsten Momente sind die, wo der Strich sich frei und richtig anspürt.“ Natürlich kennt er seine Technik und versteht auch die Komposition, aber wenn er bis anfängt über Details nachzudenken und die Linie zu konzeptualisieren, dann geht etwas verloren, „der Flow ist dann weg“, meint er. Seine Technik mag früher etwas traditioneller gewesen sein, die Landschaft eher gemalt. Heute ist es ein Auftragen und Kratzen, mit dicken Pinseln und Spachtel, vielleicht auch mal mit dem Fingernagel. Alles geht schnell, da die Farbe nicht antrocknen darf. Das Schaffen vollzieht sich von selbst, das Zerstören und Zerkratzen stellt sich ebenfalls intuitiv ein. „Irgendwann ist das Bild fertig, wann? Das ist eine der großen Fragen in der Malerei“, schmunzelt Arny Schmit.
Die großen Installationen zeigen, dass die Erweiterung den Künstler weiter treibt, die Räume werden vermehrt genutzt, die Installationen werden größer, und der Blick, der sucht erfolgreich den Kontrast und findet Verbindungen. Die Nachricht bleibt deutlich: Wer den Widerstand wagt, wird die Erweiterung erleben.
Nachdem Arny Schmit mit der Galerie Reuter Bausch und der Berliner Galeristin Janine Bean erfolgreich bei der ArtWeek in Luxemburg vertreten war, stellt er gerade bei Janine Bean in Berlin aus. Die Ausstellung trägt den Namen „I’ll be back soon“ und ist noch bis zum 11. März zu besuchen.
Arny Schmit: www.arnyschmit.lu
Janine Bean Gallery: https://janinebeangallery.com
Reuter Bausch Art Gallery: https://reuterbausch.lu
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