NO FORM, NO SHAPE

01 fév. 2024
NO FORM, NO SHAPE

NO FORM, NO SHAPE © Pit Riewer
Artikel auf Deutsch
Autor: Ben Kraemer

Gestalten fusionieren und Konturen verschwimmen bei Pit Riewer. In seiner neuen Ausstellung NO FORM, NO SHAPE setzt sich der Maler mit der Form auseinander, rauft und ringt mit ihr, und wagt so nicht zuletzt eine Abwendung vom Formhaften. Die malerischen Erzeugnisse seiner Studie stellt er demnächst im Centre d’Art Nei Liicht der Stadt Düdelingen aus. Ein Einblick in die fließende Farbenwelt des jungen Künstlers.

NO FORM, NO SHAPE, Centre d'Art Nei Liicht, Dudelange, 2024 © Pit Riewer
NO FORM, NO SHAPE, Centre d'Art Nei Liicht, Dudelange, 2024 © Pit Riewer

Der Gedanke, sich beruflich als Künstler zu versuchen, kam für Pit spät. Damals im Lycée Athenée wollte er Englischlehrer werden, später dann Kunstlehrer. Erst an der Academie Minerva in Groningen wuchs in ihm der Wunsch heran, einer Künstlerkarriere nachzugehen. Ohne Umschweife schrieb er sich an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen für ein Studium der Malerei ein.

Erste Schritte in die Professionalisierung macht Pit 2021 im Salon du CAL, einer alljährlichen Gruppenausstellung des Cercle Artistique de Luxembourg. „Ich hatte damals beim CAL mitgemacht, weil ich von der Uni noch eine Menge Bilder in meinem Keller herumliegen hatte. Ich fand es traurig, dass niemand sie zu sehen bekommt“, erklärt Pit. Danach kommt seine Künstlerkarriere ins Rollen. Zunächst wird er von der Galerie REUTER BAUSCH für eine Ausstellung unter Vertrag genommen und fortan von ihr repräsentiert. Später folgen zwei weitere Teilnahmen am Salon du CAL, wo er 2023 mit dem Prix Révélation ausgezeichnet wird. Kurz darauf trifft er auf Marlène Kreins vom Düdelinger Kunstzentrum, die ihm, begeistert von seinen Bildern, kurzerhand eine Einzelausstellung in den Räumen der ehemaligen Villa des ARBED-Direktors anbietet.

Pit Riewer © Pit Riewer
Pit Riewer © Pit Riewer

Nach einem geselligen Abend in der Stadt schreibt Pit Riewer eines Nachts ein Gedicht. Irgendetwas bewegt ihn, will aus ihm heraus. Auf Papier beschreibt er, „wie [er] sich fühlt, wie [er] sich als Maler fühlt, und wie [er] die Welt für sich in dem Moment empfindet“. Einen seiner Verse widmet er der Nacht, die unter ihrem dunklen Mantel die Welt in Einheitlichkeit hüllt. „Sobald es dunkelt, weiß man nicht, wie spät oder früh es ist“, findet der Künstler. Ebenso verfließen im nächtlichen Schwarz die Grenzen zwischen den Dingen. Wo fängt der Bach an, wo hört der Baum auf? Weder Form noch Gestalt existiert in der Nacht, no form, no shape, wie es in einem seiner Verse heißt.

Die Verabschiedung von der Form beginnt für Pit bereits in seinen Malvorbereitungen. Im Alltag nimmt er mit seiner Handykamera Schnappschüsse, die als Vorlagen für seine Gemälde dienen. Mal fotografiert er in der Nacht, wenn seine Objekte ins Schemenhafte abgleiten, mal komprimiert er seine Fotos am PC beinahe bis zur Unkenntlichkeit. Seine Vorlagen sind keine Versuche detailgetreuer Abbildungen der Wirklichkeit, sondern Abstraktionen. Sie sind verschwommen, verfärbt, uneindeutig. Die Malerei muss, so Pit, der Fotografie gegenüber einen Mehrwert haben, indem der Künstler das Fehlende aus sich selbst heraus ausfüllt: „Wie baue ich ein Gesicht auf, wenn auf dem Foto fast kein Gesicht vorhanden ist? Wenn das Foto zerstört ist, muss ich es selbst aufbauen und das finde ich weit interessanter“, erklärt er. Sein Ziel ist die Schaffung von Bildern, die so nur in der Malerei existieren können.

Im Atelier © Pit Riewer
Im Atelier © Pit Riewer

Im Zuge seiner aktuellen Ausstellung entschied sich Pit für eine gleichsam mechanische Maltechnik. Gleich den Bewegungen eines Tintenstrahldruckers fährt der Künstler mit dem Pinsel in meist großen, ausgedehnten Strichen der Leinwand entlang und arbeitet sich dabei horizontal von oben nach unten beziehungsweise vertikal von links nach rechts vor. Die repetitiven, gleichmäßigen Gesten zwingen ihn Entscheidungen zu treffen und weniger zu hinterfragen, wie er sagt. Durch die raschen Pinselstriche sei es ihm dann möglich, die „konzeptuelle Schnelligkeit“, die seinen fotografischen Momentaufnahmen zugrunde liegt, malerisch auf die Leinwand zu übertragen. „Ich will so schnell wie möglich an die Energie [des Moments] herankommen“, so der Künstler.

NO FORM, NO SHAPE, Centre d'Art Nei Liicht, Dudelange, 2024 © Pit Riewer
NO FORM, NO SHAPE, Centre d'Art Nei Liicht, Dudelange, 2024 © Pit Riewer

Traumartig verzerrte Momente verewigt Pit Riewer auf Papier. Seine Bilder sind Abdrücke gefühlter Realitäten. Sie zeigen mal den Künstler in Selbstporträts – oft halb entblößt, sich windend vor den Augen der Betrachter*innen –, mal nächtliche Schauplätze, strahlend illuminiert, ein wenig nach Façon des Malers Edward Hopper. Schummrig und melancholisch wirken dabei die Farben. Es gelingt Pit kurzlebige Dramen des Alltags in ihrer Bewegung und Geschwindigkeit einzufangen, ohne sie ihrer „Energie“ zu berauben. Seine formlosen Formen vibrieren und drohen jeden Augenblick aus dem Rahmen auszubrechen. Sie erzeugen eine Spannung, die Blicke bannt.

Zu sehen ist die beeindruckende Bilderschau des jungen Künstlers vom 3. Februar bis zum 7. April 2024 im Centre d’Art Nei Liicht der Stadt Düdelingen, parallel zur Ausstellung von Julien Hübsch im Centre d'Art Dominique Lang. Die Vernissage findet am 3. Februar ab 11:30 Uhr statt.