30 mar. 2022RADIKAL RADIAL: DIE ABSURDITÄT DES DIGITALEN
Der Schauspieler Max Thommes im Interview über sein Alter-Ego DAS RADIAL, seine Schauspielkarriere und zynische Ästhetik
Mal sieht Max Thommes wie Max Thommes aus, manchmal ist er aber auch fast nicht wiederzuerkennen. Als roboterähnliche und doch menschennahe Kunstfigur stellt DAS RADIAL einen intrigierenden Schwebemoment zwischen Realität, Futurismus und Gesellschaftskritik dar. Im Interview haben wir mit dem gebürtigen Luxemburger, der sich momentan in Berlin seiner Schauspielkarriere widmet, über die Kreation von ästhetischen Paradoxen und das Leben in der digitalen Sphäre gesprochen.
Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt wurde DAS RADIAL wieder aktiv. Wie kam es dazu?
Ich habe in letzter Zeit viel mit Musik- und Theaterprojekten zu tun gehabt. Mit DAS RADIAL habe ich immer weitergemacht, aber eher nur für mich. Da Marc Meillassoux aber den neuen Film Unterm Radar für Arte produziert hat, habe ich wieder den Titelsong dafür gemacht. Der Song ist demnach auch eng an den Film angelehnt. Bei seinem ersten Film Nothing to Hide war es genauso; da war ich ebenfalls Mitwirkender und habe die Titelmusik beigesteuert.
Auch im neuen Film geht es wieder um die Absurdität der digitalen Welt. Wie siehst du diese Sphäre – und was verkörpert DAS RADIAL davon?
Ich sehe diese Digitalität sehr zwiegespalten. Einerseits begrüße ich, dass es den Menschen möglich wird, sich komplett frei und filterlos im Medium auszudrücken – das war ja ohnehin die Ausgangsidee des Internets. Andererseits sind dadurch viele Probleme aufgekommen. Große Konzerne, Facebook, Twitter, um nur einige zu nennen, haben ihre eigenen Richtlinien aufgesetzt: Sexismus und Rassismus ist teilweise erlaubt, eine nackte Brust aber nicht. Das sind Absurditäten, die mich zum Nachdenken bringen. Die ganze Hetze, alle Aspekte der richtig dunklen Seite des Internets, werden immer stärker. Wie kann man das verhindern? Wie nimmt man den Konzernen die Oberhand und wie macht man das Internet wieder zu einem menschlichen Medium? Und wer regelt dies dann? Das sind sehr schwierige Fragen, auf die es keine klaren Antworten gibt.
DAS RADIAL vermittelt dies ästhetisch. Ist es dabei eher warnend, zynisch oder gar absurd?
Warnend soll es nicht unbedingt sein, zynisch und absurd aber auf jeden Fall schon. Dabei wird kein Vorwurf verkörpert, sondern ein Aufweis: Schaut, in welcher Welt wir leben! Auch die anderen Werke des RADIALS leben durch diese offene Perspektive. Sie spiegeln eine Lebensweise, ohne sich konkret zu positionieren. Natürlich schwingt dort Zynismus mit, aber keine Moralpredigt. Privat bin ich ja selbst Teil dieser Welt – DAS RADIAL bleibt eine Kunstfigur.
© Andrea Ariel
Inwiefern ist deine Rolle des RADIALS anders als eine übliche Schauspielerrolle?
DAS RADIAL ist von mir selbst geschrieben und entwickelt worden, also schon etwas, das ich selbst bin. Es liegt mir extrem nahe. Der Filter einer Maske ist immer dienlich, wenn ich mich nicht als Max Thommes auf die Bühne stellen möchte. Dann schaffe ich ein Wesen, in dem ich mich komplett wiederfinde und das die gleichen Werte vertritt wie ich. Es kann sich dann aber radikaler und freier ausdrücken und ich als Max muss danach nicht dafür geradestehen.
Kommst du dabei in die Kommunikation mit dem Publikum?
Bei Live-Auftritten kommt der Diskurs leichter auf. Bei den Musikvideos geht es mir eher um die Ästhetik: schöne Worte und rhythmische Reime finden, also lyrisch ansprechend sein. Live gehen meine Stücke viel weiter, sie gehen direkt unter die Haut. Daraus entstehen oft Gespräche. Manchmal ist es den Leuten zu laut, zu viel, zu düster... und darüber reden wir dann. Über die Ästhetik zum Ausdruck zu kommen ist mir dabei sehr wichtig: Oft finde ich in den vielleicht zunächst abstoßend oder hässlich erscheinenden Dingen eine extreme Schönheit, und das auch im Theater oder Film. Für die Bühne versuche ich eine schöne Ästhetik zu produzieren, und diese mit Wörtern oder Bildern zu begleiten, die mit dieser Schönheit radikal brechen: Man sieht etwas ganz Cleanes, viel weiß – dann kommt der Text extrem blutverschmiert und brutal. Ich lege viel Wert auf diesen Kontrast, das finde ich sehr spannend.
Die Welt braucht etwas Brechendes, ein aufrüttelndes Paradox, damit das Bewusstsein für das, was uns umgibt, wieder stärker werden kann.
Ja, aber das ist auch sehr schwer. Meine neue EP RADIKAL VIRAL, die nach und nach erscheinen wird, tritt in einem äußerst poppigen Gewand auf. Das war eine Phase, die sich vor zwei Jahren anbahnte und den Entwicklungsprozess dieser Stücke begleitete. Ich merke aber jetzt, dass meine neuen Sachen gar nicht mehr so da reinpassen, weil ich wieder radikaler werden will. Meine Idee, mehr Theatersprache in die Musik- und Popwelt reinzubringen habe ich damals ein wenig zurückgelassen – jetzt soll es wieder mehr werden!
Lass uns kurz über deine Schauspielkarriere in Theater und Fernsehen sprechen. Wie bist du nach Berlin gekommen?
Ich wurde von klein auf mit auf die Theaterbühne genommen und wusste direkt: Das will ich mein Leben lang machen! Später habe ich Unterricht genommen und mich in Berlin beworben. Und seitdem bin ich hier. Ob ich jetzt auf der Theaterbühne oder vor der Kamera stehe, ist mir dabei gleich. Ich nehme die Projekte an, die mich interessieren und sich für mich lohnen.
Wie verstehst du dein Leben als Schauspieler?
Ziemlich frei. Ich kann selbst entscheiden, wann ich arbeite und mit welchen Rollen ich mich beschäftige. Allerdings stellt sich dann manchmal ein Alltag ein, den ich selbst füllen muss. Man hat vielleicht zwei oder drei Monate kein Projekt, während Corona war das noch heftiger, und das kann schon mal nervös machen. Das hat aber auch was sehr Schönes: Ich habe dann Zeit, um Musik zu machen, zum Lesen, zum Spaziergehen – um wieder zu mir zu kommen. Man darf aber auch nicht darauf warten, dass jemand einem etwas anbietet. Es geht auch darum, selbst etwas auf die Beine zu stellen! Die Zukunft bleibt immer spannend. Ich bin im Moment viel mit eigenen Projekten beschäftigt. Im Sommer kommt mit Im Schatten wieder eine Performance, wo DAS RADIAL als Ausgangspunkt gilt: Es ist eine ganz ästhetische Performance mit zwei Tänzern, gespielt wird zu Esch-Sauer. Davor hoffe ich aber die EP und auch einige Clips rauszubringen!
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