Daniel Migliosi - On the Edge

10 mai. 2024
Daniel Migliosi - On the Edge

Artikel auf Deutsch
Autor: Natalie von Laufenberg

Der luxemburgische Jazz Trompeter Daniel Migliosi ist nicht nur ein Musiker, sondern ein Visionär, der die Grenzen seines Genres herausfordert und neue kreative Wege erkundet. Mit seinem neuesten Album "On the Edge" taucht er tief in die Welt der Musik, Kunst und Mode ein und schafft eine faszinierende Klanglandschaft, die Tradition und Innovation vereint.

Migliosis musikalische Reise begann in seiner Heimat, wo sein Vater Teil der Dorfmusik von Kayl war. Als Kind saß er oft neben seinem Bruder, der Schlagzeug spielte, und lernte so früh die Vielfalt der musikalischen Ausdrucksformen kennen. Doch es war eine zufällige Begegnung mit Stromaes Hit "Alors on danse", der auf dem Rückweg von der Musikschule im Radio lief, die seine Leidenschaft für Melodien weckte. "Ich sang phonetisch mit, weil mein Französisch damals noch nicht so gut war und meine Eltern lachten nur", erinnert sich Migliosi. Diese frühen Einflüsse prägten sicherlich seine Musikalität und seine offene Haltung gegenüber verschiedenen Genres und Stilen. Allerdings gibt es auch Parallelen zwischen dem luxemburgischen Trompeter und Stromae, der All-Rounder und Gesamtkünstler der seit seinem Durchbruch 2010 seine Musik eng mit Mode, visuellen Elementen und Film assoziiert.

Das neue Album "On the Edge" erhielt seinen Titel vom 2. Track des Albums, das Migliosi komponierte, und reflektiert die gesamte kreative Energie des Projekts. Die Titel für die Stücke – welche rein instrumental sind – wurden nachträglich ausgewählt, basierend auf ihrer Atmosphäre und Stimmung. Migliosi erläutert den ungewöhnlichen Stil des Albumtitels und Tracklisting: "Das 'o' in Kleinbuchstaben soll auffallen. Es ist ein kleines Detail, das die Neugier der Zuhörer wecken soll. Im Jazz wird das selten gemacht, deshalb dachte ich, es sei eine interessante Abwechslung." Diese bewusste Entscheidung für ein stilistisch eigenwilliges Design spiegelt Migliosis künstlerische Herangehensweise wider und findet sich auch in seinen Social Media Posts zurück.

In einem seiner Reels auf Instagram präsentiert Daniel seine Lieblingsplatten und erwähnt bei einer, dass er sie wegen des Artworks gekauft hat. Dass die Platte zu Hause auf seinem Plattenspieler dann auch noch gut geklungen hat, war ein Bonus. Für das Artwork des Albums arbeitete Migliosi eng mit Freund und Fotograf Dennis Hill zusammen. Gemeinsam entwickelten sie eine visuelle Ästhetik, mieten ein Fotostudio und arbeiten dort während eines ganzen Tages. Ein wiederkehrendes Motiv auf dem Album Artwork und den Covers der Singles ist ein Dalmatiner, der als unerwartetes und einzigartiges Element fungiert. Migliosi erzählt die Geschichte hinter dem Hund: "Ich habe sowas ähnliches bei einem Rapper gesehen und konnte mich damit identifizieren." Über Instagram habe ich dann einen Aufruf gestartet, gefunden habe ich den Hund und seine Besitzerin allerdings dann in einem Kölner Park. So kam Caruso, der Dalmatiner, auf mein Album Cover." Diese kreative Herangehensweise unterstreicht Migliosis Engagement für einzigartige und persönliche Details in seiner Kunst. Zusätzliche Hilfe holte er sich dann noch von Grafiker Fernando Alves, seinem ehemaligen Kunstprofessor, der unter dem Pseudonym "Wat Kucks Du Sou" in der luxemburgischen Kunstszene bekannt ist. “Ich habe Grundkenntnisse in Photoshop und Illustrator”, so Migliosi, “vom Presswerk für die Vinyle kamen dann aber ganz genaue Angaben zum Artwork - das hab ich mir nicht zugetraut. Für digitale Artworks hätte es gereicht, aber bei physischem Produkt wollte ich dann doch lieber vorsichtig sein.”

Entsprechend seiner künstlerischen Vision entschied sich Migliosi bewusst für einen unabhängigen Release seines Albums, der durch Stipendien und finanzielle Unterstützung ermöglicht wurde. Seine Band, bestehend aus talentierten Musikern wie Saxophonist Sean Payne, Schlagzeuger Kai Craig, Pianist Benedikt Göb und Bassistin Kaisa Mäensivu, spielte eine entscheidende Rolle bei der Realisierung des Projekts. Zusammen schufen sie eine musikalische Landschaft, die die Tradition des Jazz würdigt, aber gleichzeitig neue Wege einschlägt. “Mit Sean und Benedikt habe ich bereits beim ersten Album zusammengearbeitet. Und mit Kai und Sean war ich Anfang des Jahres auf Tour”, so Daniel, "Sie haben mich überzeugt, ohne Noten zu spielen. Es war anfangs sehr aufregend und ich musste mich auf jeden Fall besser vorbereiten, aber jetzt möchte ich nur noch so spielen!” Kaisa hat er letztes Jahr bei der Jazz Ahead Messe in Bremen kennengelernt. Er hat sie auf Instagram entdeckt, sie dort getroffen und für die Aufnahme von “On the Edge” gebucht. 

Dass das Netzwerken heutzutage ganz anders läuft als noch vor zwei Jahrzehnten, ist ihm nicht wirklich bewusst: “Für mich ist der Kontakt und Austausch über Social Media ganz normal. Zusätzlich gibt es auch Kredibilität. Bekannte von mir sind Rapper und folgen mir, wodurch andere Rapper, die ich nicht mal kenne, mir auch gefolgt sind und bereits Vinyl vom neuen Album vorbestellt haben.”

Die Aufnahmen für "On the Edge" fanden in der Residenz von “Op der Schmelz” in Düdelingen statt, unterstützt durch Fördermittel für Künstler in Luxemburg. Migliosi betonte die Zusammenarbeit vor allem bei der Produktion: "Es war ein kollaborativer Prozess, bei dem jeder seine Ideen einbrachte." Für zukünftige Projekte plant Migliosi, die Produktion an externe Produzenten zu delegieren, um sich stärker auf das musikalische Schaffen zu konzentrieren und neue künstlerische Horizonte zu erkunden.

Über vier Tage haben sie das gesamte Album gemeinsam mit Charel Stolz aufgenommen. Das Mixing wurde auch von Letzterem gemacht, während Nate Wood, ein Jazz-Multiinstrumentalist aus New York das Mastering übernommen hat. Abgesehen davon, dass Nate gute und schnelle Arbeit geleistet hat, erhoffe er sich auch auf diese Weise Kredibilität und Ansehen von amerikanischen Jazzmusikern, da Nate bereits für bekannte Jazz Labels wie u.a. Blue Note das Mastering gemacht hat. 

Die aktuelle Tendenz der Popmusik, dass Songs immer kürzer werden, um mehr Streams zu generieren, betrifft den Jazz eher weniger, meint Daniel. Für sein nächstes Album plant er trotzdem, einige kürzere Tracks aufzunehmen. Einerseits wegen der zeitlichen Einschränkungen des physischen Produkts, insbesondere Vinyl, und andererseits wegen der Kosten für Musikvideos. Er möchte Musikvideos mehr nutzen, was jedoch teuer ist, insbesondere für längere Songs von 7-10 Minuten. Aus diesem Grund entschied er sich bei diesem Album dafür, nur ein Musikvideo für den kürzesten Song des Albums, den Titeltrack "On the Edge", zu produzieren.

Als Musiker genießt Daniel sein Leben. Es macht ihm Spaß, aber es ist auch anstrengend. Es erfordert sehr viel Aufwand, alles selbst zu machen – von der Tour-Organisation bis zum Buchen von Konzerten. Die Angebote sind nicht besonders gut, besonders wenn man noch unbekannt ist und alles ohne Booker selbst machen muss. 

Auf die Frage, ob er auch in anderen Bands spielt, zeigt Daniel Interesse, aber er bemerkt, dass die Nachfrage abnimmt. Dies hängt womöglich mit der Entwicklung des Livegeschäfts in den letzten Jahrzehnten zusammen. Spielorte zahlen heutzutage weniger pro Auftritt, weshalb Musiker eher vielseitig einsetzbare Instrumente für ihre Band bevorzugen, wie Klavier oder Bass, anstatt zusätzliche Blechbläser zu engagieren.

Auf die Frage, ob er auch Interesse daran hätte, andere Genres zu spielen, meint Daniel: "Ja, auf jeden Fall. Bei ‘Left on Scene’ haben wir uns bewusst für ein traditionelles Jazz Album entschieden, einerseits, um zu beweisen, dass wir dies beherrschen, andererseits aber auch, weil es gerade in der amerikanischen Jazzszene als wichtig angesehen wird, die Grundkenntnisse und den historischen Ursprung des Jazz zu kennen.” Auch wenn er mit “On the Edge” schon moderne Töne anstimmt, sind beim Hören immer noch eindeutige Einflüsse des Jazz der 1980er Jahre zu erkennen. 

Daniel setzte sich eine Deadline von einer Woche, um die Tracks für sein Album zu komponieren. Unter Druck arbeitete er besonders gut und griff auf vergangene Ideen zurück und ließ sich von alten Songs anderer Künstler oder Instagram-Reels von Musikern inspirieren.

Seine Vision für das Album "On the Edge" war es, nachvollziehbare Melodien zu komponieren, die auch seine Freunde ansprechen, ohne dabei in "cheesy Jazz, der in einer Lounge gespielt wird" abzudriften. Der schmale Grat zwischen Kunst und Populärkultur ist also auch über 60 Jahre nach Theodor Adorno immer noch ein Thema, bei dem sich die Geister scheiden.

In Bezug auf Wunschkollaborationen würde Daniel gerne mit einer Modemarke zusammenarbeiten, wie Saxophonist Immanuel Wilkins, der mit Nike an einem neuen Air Jordan gearbeitet hat. Musikalisch interessiert er sich für Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Kendrick Lamar oder OG Keemo und wäre offen für Sampling seiner Songs im Hip-Hop-Genre. Daniel findet die Überschneidungen zwischen Jazz und Hip-Hop sowie die Erweiterung über die Jazz-Blase hinaus besonders faszinierend.

Was Bühnen angeht, träumt Daniel von Auftritten auf renommierten Jazz Bühnen wie dem Blue Note in NYC oder in Tokyo, sowie der Carnegie Hall. Etwas greifbarer wäre die Philharmonie in Luxemburg. Er hat bereits einige seiner Träume verwirklicht, wie das Spielen in den Rotondes und der Kölner Philharmonie.

Auf die Frage, ob er noch etwas hinzufügen möchte, antwortet Daniel ohne zu Zögern: "Shoutout u meng Bom!” Seit geraumer Zeit nimmt er die Gespräche mit seiner Großmutter auf und ist dabei auf einen schönen Satz von ihr über das Leben gestoßen. Diesen hat er eingebaut in die erste Single von “On the Edge”, welche am 5. April erschienen ist. “‘Take Your Time’ ist ein sentimentaler, nostalgischer Song, zu dem das gut gepasst hat”, meint Daniel, “und das ist ja wieder eine Technik, die eher im Hiphop genutzt wird. "Alle, die den Song bis zum Schluss hören, wundern sich dann bestimmt und fragen sich, was es damit auf sich hat.” 
 

Das Album “On the Edge” ist ab dem 10. Mai verfügbar auf allen Streaming Plattformen oder auf Vinyl über https://danielmigliosi.bandcamp.com/album/on-the-edge

Alle Live- Daten von Daniel Migliosi & Band https://www.bandsintown.com/a/15538422-daniel-migliosi?came_from=275&utm_medium=web&utm_source=artist_event_streaming_page&utm_campaign=artist 

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